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Prolog

Innere Ordnung schaffen

Jedem Höhepunkt folgt ein Tiefpunkt und zwar mit unvermeidbarer Konsequenz. Man jagt aus keinem anderen Grund als aus Angst vor einer Niederlage unermüdlich seinen Erfolgen hinter her.

Ungefähr eine Woche ist nun seit meinem Post vergangen, indem ich beschlossen habe, mich auch um meine eigene Schwäche zu kümmern. Wer den ersten Post gelesen hat, weiß dass es bei meinem Thema um die ständige Erreichbarkeit geht. Um den Druck immer „Online“ sein zu müssen, alles zu optimieren oder einfach besser zu sein als die Anderen.
Viele die mich kennen wissen, dass ich neben meiner Tätigkeit als Ordnungsberaterin, seit etlichen Jahren auch mein eigenes Kreativbüro habe. Dort arbeite ich als Grafik Designerin und Illustratorin und war sehr zufrieden, in meinem doch sehr fordernden, stressigen Beruf. Ich liebte meine Arbeit und auch die positiven Seiten, die eine Selbstständigkeit so mit sich bringt. Natürlich war es immer wieder sehr stressig, aber ich habe nicht bemerkt, wie mir meine Arbeit, schleichend aber stetig, immer mehr zur Last wurde.

Nach einigen sehr erfolgreichen Jahren, muss man zugeben, ist man schon etwas erfolgsverwöhnt, um es beim Namen zu nennen. Es beginnt sich ein Hamsterrad zu drehen, dass man jedes Jahr aufs Neue mehr als das Jahr zuvor erreichen möchte. Ich weiß noch, wie ich vor zwei Jahren zu meinem Vater gesagt habe, dass ich Angst hätte, wenn es plötzlich weniger wird. Da ich aber immer alles durchplanen und organisieren konnte, fühlte ich mich auf der sicheren Seite.

 

Naja und was soll ich sagen; dann kam Corona!

 

"Warum es notwendig ist, sich mit Dinge anzufreunden, von denen wir uns am meisten fürchten!" - Josef Kirschner


Ich bin ehrlich, denn was soll man verschleiern. Viele Umsätze brachen von einem Tag auf den Anderen weg. Projekte wurden auf Eis gelegt oder gar abgesagt und alle meine Kunden vertrösteten mich Wochen, oder Monate.
Am Anfang empfand ich es noch nicht schlimm, denn ich dachte das wird sich schon wieder legen und dann geht alles weiter wie bisher. Nun dem war nicht so. In den kommenden Monaten machte sich bei mir eine schleichende Existenzangst breit. Wie ein dunkler Schatten, der sich unbemerkt an mich dran hängte, verfolgte er mich. Das Kuriose an der ganzen Sache: Es war eigentlich kein Grund dazu. Ich hatte gut zu tun und kam sehr gut über die Runden. Und doch bekam ich immer wieder das Gefühl ich arbeite rund um die Uhr, und habe unterm Strich weniger als die Jahre zuvor.
Ich bekam Schlafprobleme, jedes mal wenn mir wieder etwas einfiel, wie ich mein Unternehmen optimieren konnte, saß ich am Computer und begann es zu bearbeiten.


Im Juni 2020 war ich dann soweit, dass sich beinahe alles nur mehr um meine Arbeit und den Optimierungsprozess drehte. Nicht einmal im Urlaub machte, das ständige Erreichbar sein halt. Zig mal am Tag, checkte ich meine Emails und führte Kundengespräche. Es begann ein richtiger Fluch zu werden. Bei meinem Mann läuteten schon alle Alarmglocken. Doch jedesmal wenn er mich darauf ansprach, fuhr ich aus der Haut und meinte nur, er hätte doch keine Ahnung.

 

Mein innerer Druck wuchs mit jedem Monat und ich merkte, wie ich immer ausgelaugter wurde. Aber ich schaffte es einfach nicht, dieses verdammte Telefon wegzulegen oder den Computer einmal, wie damals, am Wochenende runter zu fahren. Immer wieder war ich online und überlegte was ich denn als Nächstes posten könnte. Welches Foto, welches Video, welcher Text ist interessant für meine Kunden und wie bekomme ich mehr Reichweite. Wieso ist der Algorithmus so schlecht, wie kann ich ihn verbessern, welche Keywords muss ich verwenden. Gestört oder?
Als ich dann Ende des Jahres auch gesundheitlich eine Diagnose bekam, war mein chronischer Stress, soweit fortgeschritten, dass ich mittlerweile auf beinahe alles allergisch reagierte und extreme gesundheitliche Probleme hatte. Von meinem extrem dünnen Nervenkostüm wollen wir da erstmal gar nicht sprechen.
Aber wie ein Junkie, entlud ich jede gewonnene Energie sofort wieder, indem ich wie eine Irre, vor dem Computer saß, um zu überlegen, wie ich Gutes, noch Besser machen könnte.
Klar wurde mir das Ganze, als mein Mann mir androhte, mein Büro, das sich noch dazu im Haus befindet, für ein paar Tage zuzusperren, weil er das nicht mehr mit ansehen konnte. Meine Reaktion daraus war, vollkommene Panik und eine weitere Suche nach Erklärungen, wieso dass so sein muss wie es eben ist.
Alle meine sozialen Kontakte und mein Ausgleich wurden durch Corona großteils einfach ausgeknipst oder aufs Minimum heruntergefahren. Ich dachte alles was mir noch blieb, war meine Arbeit. Ich hatte keine Kontrolle mehr und das machte mich wahnsinnig. Wie in einem Tunnel lief ich durch die Gegend und konnte nicht mehr abschalten. Aber ich hatte keine Wahl! Dachte ich zumindest.


Wie es mir beim Handy-Fasten geht? Es ist verdammt schwer, aber ich habe einige Tricks gefunden, die es mir doch etwas erleichtern.